In Deutschland sei kein Raum für organisierte Kriminalität, hat der Vollmundpolitiker Horst Seehofer gerade formuliert. Und der Bundesinnenminister hat die Erkennungsmerkmale für kriminelle Organisationen genannt: Digitalisierung, Professionalität, Arbeitsteilung. Womit wir auch schon bei Teilen der deutschen Autoindustrie wären. (…)
Bei der Autoindustrie sieht es ganz so aus, als treffe die Bedrohung allein den Käufer. Am Mittwoch hat der neue Vorstandschef des Volkswagen-Konzerns, Herbert Diess, seine erste Halbjahresbilanz vorgestellt. Trotz Absprachevorwürfen, trotz Dieselskandal, trotz Millionen betrogener Kunden strotzt sie vor selbstgefälligen Schönheiten. Nie zuvor lieferten die zwölf Konzernmarken so viele Fahrzeuge aus: 5,5 Millionen VW, Audi, Porsche, Skoda und Seat. Das operative Ergebnis wuchs um 9,8 Prozent auf 9,8 Milliarden Euro. Der Konzernumsatz kletterte um 3,5 Prozent auf fast 120 Milliarden Euro, ein Rekord auch das.
Wir bestaunen eine Branche, die vor Kraft kaum gehen kann – auch das eine Parallele zur organisierten Kriminalität. Dass ohne die Folgen des Abgasskandals das operative Ergebnis noch um 1,6 Milliarden höher ausgefallen wäre, wird da fast zur Marginalie. Ein bisserl Schwund ist immer: Bei den einen fliegt schon mal ein Drogenkurier auf, bei den anderen wird ein wenig Bußgeld fällig für dauerhafte Betrügerei.
Hauptsache, die Kohle stimmt – also der Gewinn für den großen Konzern. Bei den Kleinen sieht es ganz anders aus. 22 Prozent der Autohändler in Deutschland kaufen keinen Diesel mehr, meldete im Juli die Deutsche Automobil Treuhand. Das ist nachvollziehbar, denn ein Diesel steht bei ihnen inzwischen im Durchschnitt 106 Tage auf dem Hof, ein Benziner ist nach 82 Tagen verkauft.
Den Autobauern kann keiner mehr vertrauen. Nicht die Händler. Und schon gar nicht die Käufer.
Quelle: Focus Online